Jeder BBQ-Meister kennt ihn: Den Moment, in dem die Kerntemperaturanzeige Ihres Pulled Porks oder Briskets bei etwa 65 °C bis 75 °C plötzlich stagniert. Man wartet, schaut, hofft – doch das Thermometer bewegt sich kaum noch, manchmal sinkt es sogar. Willkommen im berüchtigten „Stall“ oder der Plateauphase.
Dieser Stillstand ist frustrierend, aber er ist kein Fehler in Ihrer Zubereitung. Er ist vielmehr ein physikalisches Phänomen, das jeder Meistergriller kennen und beherrschen muss. Wir zeigen Ihnen, was genau in dieser Phase passiert und wie Sie den Stall erfolgreich überwinden, ohne Ihr Fleisch austrocknen zu lassen.
🧐 Was genau ist der „Stall“ (Die Plateauphase)?
Der Stall beschreibt einen Zeitraum während des „Low & Slow“-Garvorgangs, in dem die Kerntemperatur des Fleisches über Stunden hinweg nicht oder nur sehr langsam ansteigt, obwohl die Garraumtemperatur konstant hoch (meist zwischen 100 °C und 120 °C) gehalten wird.
Die Wissenschaft dahinter: Verdunstungskälte
Der Hauptgrund für diesen Stopp liegt in der Verdunstungskälte an der Fleischoberfläche:
- Feuchtigkeit tritt aus: Bei Kerntemperaturen ab ca. 60 °C beginnt die im Fleisch enthaltene Feuchtigkeit (Wasser) an die Oberfläche zu treten.
- Verdunstung: Im heißen Garraum verdunstet diese Feuchtigkeit.
- Kühlung: Für die Verdunstung wird Energie benötigt (Verdampfungsenthalpie). Diese Energie wird der Fleischoberfläche entzogen.
- Gleichgewicht: Das Fleisch erreicht einen Punkt, an dem die zugeführte Hitze (vom Smoker oder Grill) exakt durch die abgegebene Kühlleistung (durch die Verdunstung) kompensiert wird. Das Ergebnis: Die Kerntemperatur steigt nicht mehr.
Erst wenn fast die gesamte frei werdende Feuchtigkeit verdampft ist, kann die zugeführte Hitze wieder effizient die Kerntemperatur erhöhen, und die Plateauphase ist beendet.
💡 Profi-Wissen: Der Stall ist ein Zeichen dafür, dass das Fleisch Feuchtigkeit verliert – aber das ist normal! Wichtig ist, dass die innere Struktur (das Kollagen) genügend Zeit hat, in saftige Gelatine umgewandelt zu werden.
✅ Die Ultimative Checkliste gegen den Stall
Der Stall ist unvermeidlich, aber Sie können ihn stark verkürzen. Hier sind die drei besten Strategien, sortiert nach Eingriffstiefe:
Methode 1: Die „Texas Crutch“ (Der Game Changer)
Die Texas Crutch (deutsch: Texas Krücke) ist die bekannteste und effektivste Methode, um den Stall zu umgehen oder drastisch zu verkürzen.
🛠️ So funktioniert die Texas Crutch:
- Zeitpunkt: Beginnen Sie, sobald der Stall beginnt (Kerntemperatur zwischen 70 °C und 75 °C) und die gewünschte Kruste (Bark) eine schöne, dunkel-mahoganyfarbene Optik erreicht hat.
- Einpacken: Nehmen Sie das Fleisch vom Grill und wickeln Sie es sehr fest ein. Hier gibt es zwei Varianten:
- Aluminiumfolie: Wickeln Sie den Braten mehrfach fest in schwere Alufolie (oder eine Alu-Bratenschale) ein. Fügen Sie gerne einen kleinen Schuss Flüssigkeit hinzu (Apfelsaft, Brühe oder Bier).
- Butcher Paper (Metzgerpapier): Die Profi-Wahl. Es lässt das Fleisch atmen, verhindert aber gleichzeitig, dass zu viel Feuchtigkeit entweicht. Es hält die Kruste besser als Alufolie.
- Zurück in den Garraum: Legen Sie das eingewickelte Fleisch zurück in den Smoker.
- Ergebnis: Durch das Einwickeln wird die Verdunstung komplett gestoppt. Die zugeführte Hitze kann nun ungehindert die Kerntemperatur auf die Zieltemperatur von 90 °C bis 95 °C anheben.
- Vorteil: Verkürzt die Garzeit oft um mehrere Stunden.
- Nachteil: Bei Alufolie kann die Kruste etwas weicher werden. Butcher Paper ist hier die bessere Wahl.
Methode 2: Die Luftfeuchtigkeit erhöhen (Die sanfte Methode)
Diese Methode ist für Puristen, die ohne Einwickeln arbeiten möchten.
💦 So optimieren Sie die Luftfeuchtigkeit:
- Wasserschale im Garraum: Platzieren Sie eine große, mit Wasser gefüllte Schale direkt unter dem Fleisch. Das verdampfende Wasser erhöht die Luftfeuchtigkeit im Smoker oder Grill deutlich.
- Mopping/Spritzflasche: Besprühen Sie das Fleisch alle 30 bis 60 Minuten mit einer Flüssigkeit (z.B. Apfelessig-Mischung oder Brühe). Achtung: Das Öffnen des Deckels und die kalte Flüssigkeit senken kurzzeitig die Garraumtemperatur, was den Prozess leicht verlängern kann. Seien Sie sparsam in der Stall-Phase.
- Kein Umluft: Vermeiden Sie nach Möglichkeit die Umluft-Funktion bei der Zubereitung im Backofen, da diese die Verdunstung extrem fördert und den Stall verlängert.
- Vorteil: Die Kruste (Bark) bleibt knusprig und unverfälscht.
- Nachteil: Der Stall wird nur verkürzt, nicht komplett umgangen; die Gesamtgarzeit ist länger.
Methode 3: Die Temperatur leicht anheben (Die Beschleunigung)
Wenn es schnell gehen muss und Sie die Textur des Fleisches nicht beeinträchtigen wollen.
📈 So heben Sie die Garraumtemperatur an:
- Erhöhung der GT: Erhöhen Sie die Garraumtemperatur von den üblichen 100–110 °C auf 120 °C bis 140 °C.
- Funktionsweise: Die höhere Garraumtemperatur liefert dem Fleisch schneller mehr Energie. Dies übersteuert das Gleichgewicht der Verdunstungskälte effizienter.
- Vorteil: Beschleunigt den Vorgang spürbar.
- Nachteil: Bei zu hohen Temperaturen besteht das Risiko, dass das Fleisch außen schneller gart und trocken wird, bevor das Kollagen innen zu Gelatine geschmolzen ist. Nur für erfahrene Griller empfohlen.
🛑 Wichtige Don’ts in der Plateauphase
Vermeiden Sie diese Fehler, um den Prozess nicht unnötig zu verlängern oder das Ergebnis zu gefährden:
- ❌ Deckel oft öffnen: Jedes Öffnen entlässt die aufgestaute Hitze und die Feuchtigkeit, was zu einem sofortigen Temperaturabfall führt und den Stall verlängert. “If you’re looking, you’re not cooking!”
- ❌ Temperatur zu stark erhöhen: Ein schneller Temperaturanstieg auf über 140 °C verhindert die langsame Umwandlung des Kollagens in Gelatine, was zu zähem, trockenem Fleisch führt (die „Zartheit“ entsteht erst bei 90 °C bis 95 °C).
- ❌ Zu früh aufgeben: Wenn das Thermometer stagniert, ist das kein Zeichen dafür, dass Ihr Fleischstück „verdorben“ ist. Es ist ganz normal. Haben Sie Geduld – die Plateauphase ist oft der wichtigste Schritt zum butterzarten Ergebnis.
📝 Fazit: Perfektes Pulled Pork ist Planungssache
Der Stall ist die Königsdisziplin der Geduld beim BBQ. Wenn Sie ein Pulled Pork mit einer bestimmten Kruste wünschen, nutzen Sie Methode 2. Wenn Sie Zeit sparen und die Zartheit garantieren wollen, ist die Texas Crutch mit Butcher Paper die beste und sicherste Wahl.
Das Wichtigste: Planen Sie immer mehr Zeit ein, als Sie denken zu brauchen! Wenn das Pulled Pork früher fertig wird (Kerntemperatur 90–95 °C erreicht), können Sie es in Butchers Paper und ein Handtuch gewickelt in einer Warmhaltebox (Cooler/Styroporbox) bis zu 6 Stunden ruhen lassen. Dadurch entspannt sich das Fleisch, wird noch saftiger und hält die ideale Verzehrtemperatur.
Welche Rub- und Holzsorten verwendet ihr am liebsten für Ihr Pulled Pork?






